Wie gewinnbringend sind ETF-Investments, wenn sich Krisen wie die steigende Erderhitzung sowie das globale Artensterben immer mehr zuspitzen in den nächsten Jahren? Dieser Blogbeitrag ist ein erster Versuch der Annäherung – als Laie.
Disclaimer: Diese Beitrag stellt keine Anlageberatung oder Kaufempfehlung dar. Es handelt sich um einen privaten, nichtkommerziellen Blogbeitrag. Ich erhalte keinerlei Provisionen für Links.
Inhaltsverzeichnis
- Was sind ETFs?
- Niemand hat die magische Glaskugel – woher also den Optimismus nehmen?
- Reality-Checks
- Reality-Check I: Wie berechtigt sind Sorgen bzgl. der Klimakrise?
- Reality-Check II: Die Eigenheiten (und Mängel) unseres Wirtschaftssystems
- Reality-Check III: Das neue, klimaneutrale Wirtschaftssystem muss noch erfunden werden
- Reality-Check IV: Bürgerkriege will niemand, Kipppunkte kann man aber nicht rückgängig machen
- Reality-Check V: Technologische Durchbrüche und (waghalsiges) Geo-Engineering
- Reality-Check VI: Es braucht massive, öffentliche Investitionen und Handeln von Regierungen – keine neuen ETFs
- Reality-Check VII: Klimaneutralitäts-Versprechen werden nicht eingehalten
- Fazit
Was sind ETFs?
Exchanged Traded Funds (ETFs) sind bei Kleinanleger:innen inzwischen sehr beliebt als günstige Möglichkeit, selbstbestimmt in die Börse zu investieren.
Insbesondere weil klassische Sparbücher seit längerem keine Gewinne mehr abwerfen, die hohe Inflation den Geldwert mindert und Trading-Apps das Kaufen von ETF-Anteilen extrem einfach machen.
Bei ETFs wettet man zumeist auf steigende Gewinne der gesamten Weltwirtschaft bzw. Teile der Weltwirtschaft wie Industrienationen (MSCI World) oder Schwellenländer (MSCI Emerging Markets).
Die „Gesamtwirtschaft“ wird hierbei über Indizes von Finanzdienstleistern wie MSCI oder FTSE abgebildet. Diese Indizes bündeln dann eine Vielzahl von Firmen-Aktienanteilen nach einem bestimmten Auswahlmodell. Mit dieser Zusammenstellung von Firmen-Anteilen werden dann konkrete ETFs wie der iShares MSCI World oder der Vanguard FTSE All World als Finanzprodukt angeboten.
Hier ein klassischer Beispiel-ETF, der iShares MSCI World:
„Der iShares Core MSCI World UCITS ETF USD (Acc) ermöglicht dir, in die 85 % der größten Unternehmen in 23 Industrieländern zu investieren. Er bildet insgesamt 1512 Aktien ab.“
Finanzfluss Informer für iShares Core MSCI World UCITS ETF
Der Vorteil gegenüber Einzel-Aktien ist ein geringeres Risiko und – basierend auf historischen Daten der Vergangenheit – eine stabile Gewinnerwartung über längere Investitions-Zeiträume.
Niemand hat die magische Glaskugel – woher also den Optimismus nehmen?
Garantieren kann diese Gewinne für die Zukunft aber natürlich niemand. Ein Satz, den ich oft gehört habe auf YouTube & Co:
„Niemand hat die magische Glaskugel, um in die Zukunft zu schauen“.
Ebenfalls gehört habe ich:
„Wer an der Börse investiert, sollte grundsätzlich optimistisch sein“.
In ihm steckt natürlich ein wahrer Kern: Letztendlich wettet man mit einem Investment auf steigende Kurse. Wenn man sich 100 % sicher ist, dass die Kurse dauerhaft sinken und die (Welt-)Wirtschaft bspw. aufgrund der Krisen kollabiert – dann wäre es ja unlogisch zu investieren.
Machen wir einen Schritt zurück:
Grundsätzlich erfordert das Leben in einem bestimmten Wirtschaftssystem (wie dem Kapitalismus) natürlich immer einen grundlegenden Optimismus bzgl. der Zukunft.
Ginge man fest davon aus, dass morgen alle staatlichen und sozialen Systeme und Ordnungen zusammenbrechen, dann würde eine stärkere Vorbereitung auf den Krisenfall und auf die Zeit danach helfen. Mit dem Simulieren dieses Extremszenarios experimentiert bspw. der “Happy-Doomer“ Ben Green, welchen ich hier im Blog schon verlinkt hatte:
Die grundlegende Vorbereitung auf Notfall-Szenarien ist natürlich keine bloße Hysterie, sondern wird auch von staatlicher Seite empfohlen. Regierungen veröffentlichen für diverse Katastrophenszenarien Empfehlungen für die Bevölkerung:
Die Starkregenfälle, die im Juli 2021 in mehreren Regionen Deutschlands verheerenden Sturzfluten und Überschwemmungen verursachten, die Corona-Pandemie mit ihren internationalen Auswirkungen seit 2020, 2018 der Orkan „Friederike“, der Stromleitungen beschädigte und bis zu 140.000 Menschen über Stunden bis wenige Tage von der Stromversorgung abschnitt – diese Ereignisse sind nur einige Beispiele für Notsituationen, die in Deutschland in den letzten Jahren eingetreten sind.
Das staatliche Hilfeleistungssystem greift in solchen Situationen und bietet Unterstützung. Aber auch die beste Hilfe ist nicht immer sofort zur Stelle. Bei großflächigen Schadenslagen können die Rettungskräfte nicht überall gleichzeitig sein. Wer vorbereitet ist, kann sich selbst, Angehörigen und Nachbarn helfen, bis die staatliche Hilfe eintrifft und Schäden mit Schutzmaßnahmen reduzieren.
Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, 06.08.2023
https://www.bbk.bund.de/DE/Warnung-Vorsorge/Vorsorge/vorsorge_node.html
Die Haupt-Kritik am „(Climate) Doomerism“ (oder auch Prepping) ist jedoch, dass es Menschen lähmen kann. Es entsteht ein „fatalistisches Weltbild“. So zuletzt auch vom neuen IPCC-Chef geäußert, der die Menschen abermals zum Engagement gegen die Klimakrise aufrief:
„Von Untergangsszenarien im Zusammenhang mit dem Klimawandel hält Skea nichts. „Wenn man ständig nur die Botschaft aussendet, dass wir alle dem Untergang geweiht sind, dann lähmt das die Menschen und hält sie davon ab, die nötigen Maßnahmen zu ergreifen, um mit dem Klimawandel fertig zu werden“, sagte er im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa.““
Klimarat-Chef hadert mit Untergangsszenarien (29.07.2023), tagesschau
Des Weiteren wird beim Doomerism natürlich die zukünftige Anpassungsfähigkeit von staatlichen Institutionen, demokratischen Systemen und einer solidarischen Gesellschaft vollständig negiert. Man wettet quasi auf den Untergang der Zivilisation.
Kapitalistisch gedacht: Wer 100% vom Untergang ausgeht und nicht für seine finanzielle Zukunft vorsorgt, steht im Falle des Nicht-Untergangs am Ende natürlich potenziell finanziell schlechter da als Personen, die weiter „business as usual“ verfolgt und investiert haben.
Stichwort ist auch hier bspw. Altersarmut als Risiko – falls man das Glück hat, gesundheitlich lange zu leben. Das (kapitalistische) Leben ist in gewisser Weise immer auch ein bisschen ein Pokerspiel – wobei es nicht ausschließlich nur um finanzielles Kapital geht, sondern auch bspw. Soziales Kapital eine Rolle spielt.
Reality-Checks
Wenn man also nicht davon ausgeht, dass nicht direkt alle staatlichen und wirtschaftlichen System zusammenbrechen, stellt sich dennoch die Frage welche Auswirkungen die Krisen in Zukunft haben werden? Wie drastisch bzw. bedrohlich ist die Lage wirklich? Hierbei kann es hilfreich sein, einige Reality-Checks durchzuführen.
Reality-Check I: Wie berechtigt sind Sorgen bzgl. der Klimakrise?
Judith Kösters hat für hr-Info einen Reality Check gemacht:
„Reality-Check-Ergebnis Nummer 1 ist also: Der Klimawandel macht das Leben auf der Erde für die Menschen unberechenbarer und schwieriger. Heute schon und künftig wohl noch stärker.
[…]
Reality-Check-Ergebnis Nummer 2: Der Einfluss des Klimawandels aufs Wetter ist messbar – und er führt tatsächlich zu mehr Extremwetter-Katastrophen.
[…]
Reality-Check-Ergebnis Nummer 3: Klimabedingter Hunger, Kriege, Flüchtlingsbewegungen – all das lässt sich schwer „vorhersagen“. Aber die Ereigniskette Dürre – Hunger – Krieg – die ist alles andere als weithergeholt.“
Realitätscheck: Wie berechtigt ist die Angst vorm Klimawandel? – Judith Kösters / hr-Info. Hier auch als Audiobeitrag beim SWR verfügbar.
Jonas Schaible, Autor von „Demokratie im Feuer“, hat unbequeme Fragen diesbezüglich gestellt:„Was, wenn die besten Jahre vorbei sind?“ – Jonas Schaible
Und Sascha Friesike hat die Frage der Dauerkrisen hier behandelt:
Das Ergebnis aus den Quellen: Die Sorgen sind durchaus berechtigt. Zudem leben wir in einem neuen Zustand der entgrenzten Dauerkrisen, den es in der Vergangenheit in dieser Form nicht gab.
Reality-Check II: Die Eigenheiten (und Mängel) unseres Wirtschaftssystems
Doch was heißt das jetzt für Wirtschaftssysteme und Investments?
Diese Frage wird u. a. in Wirtschaftsmagazinen behandelt: Inzwischen gibt es Kategorien wie The Economist – Climate Change oder Financial Times – Climate Capital.
Ich bin leider kein Wirtschaftswissenschaftler und kenne den aktuellen Stand der Debatten bzgl. Klimakrise & Co nicht.
Einen ersten Einblick könnte ggf. der Talk Maja Göpel – Cash: Alles im Flow? (republica 2023) geben.
Auch Ulrike Herrmann hatte ich hier ja bereits verbloggt, die das Buch „Das Ende des Kapitalismus“ veröffentlicht hat mit einigen Thesen zur Transformierung.
Die Regisseurin Carmen Losmann hat im Jahr 2020 den Dokumentarfilm Oeconomia (3sat Mediathek) veröffentlicht, welcher die „Spielregeln des Kapitalismus“ behandelt. Im Film geht es auch um die Kreditvergabe und wie Gewinne dadurch eigentlich erst ermöglicht werden.
Mein persönliches Take-Away war, dass das Finanzsystem deutlich anders funktioniert als man es bspw. noch von „goldgedecktem Geld“ und Dagobert Ducks Geldspeicher annimmt als Laie. Mit einfacher Ursache-Wirkung-Logik kommt man hier eventuell nicht weit in einem solch global vernetzten (und teils „virtuell/fiktiv“ anmutendem) System:
Interessant sind hierzu auch die Interviews mit der Regisseurin:
[…] Was vielen nicht klar ist, ist zum Beispiel folgender Umstand: Unternehmen sind nur profitabel, wenn die Geldmenge wächst.
SZ: Macht nicht derjenige Gewinne, der sich im Wettbewerb durchsetzt? Was hat das mit der Geldmenge zu tun?
Das hat sehr viel mit der Geldmenge zu tun, weil die Kreditvergaberegeln der Banken so konstruiert sind, dass Geld nur für gewinnträchtige Unternehmungen produziert wird, und nur bei einer wachsenden Wirtschaft funktioniert das wirklich reibungslos. Denn unsere Geldmenge wächst nur dann, wenn private Geschäftsbanken ausreichend Kredite vergeben, der Großteil unserer zirkulierenden Geldmenge wird schließlich von Geschäftsbanken per Kreditvergabe erzeugt (von Ökonomen als „Buchgeld“ bezeichnet – im Gegensatz zur Bargeldschöpfung der Zentralbanken; Anm. d. Red.). Mein Resümee: Wir brauchen eine wachsende Wirtschaft, damit unsere Geldversorgung funktioniert.
[…]
Das ist ja das Problem und folgt einem völlig veralteten Verständnis von einem goldgedeckten Geld. Und wenn unser Geld schon nicht mehr von Gold gedeckt ist (was es spätestens seit 1973 nicht mehr ist; Anm. d. Red.), dann soll es wenigstens durch Boden, Immobilien, Maschinen und Anlagen gedeckt sein, so die Logik der Banken, nach der sie Kredite vergeben. Deshalb basiert unsere Geldversorgung vor allem auf Investitionskrediten. Wir müssen Fabriken, Häuser, Flughäfen, Flugzeuge, Autobahnen und dergleichen bauen, um Geld für den Warenhandel zu schaffen. Da diese Kredite irgendwann getilgt werden, müssen sie durch neue ersetzt werden. Wieder muss gebaut werden, um Geld für den Warenumsatz zu schaffen. Historisch gewachsene, jedoch unsinnige Geldschöpfungsregeln erzeugen so ökologische Probleme.
„Oeconomia“ im Kino: Warum muss die Wirtschaft eigentlich ständig wachsen? – Interview mit der Regisseurin (SZ, Oktober 2020)
Der Film ist frei verfügbar in der 3sat Mediathek.
Reality-Check III: Das neue, klimaneutrale Wirtschaftssystem muss noch erfunden werden
Es ist daher wenig verwunderlich, dass es bereits seit mehreren Jahrzehnten eine Debatte um De-Growth vs. Green Growth gibt. Es gibt hierzu jede Menge Vorschläge, aber noch keinen global vereinbarten Plan wie das transformierte System im Detail aussehen soll oder könnte:
Viele Klimaaktivisten spüren, dass der Abschied vom Kapitalismus schwierig wird. Greta Thunberg wurde kürzlich von einem Anhänger gefragt, wie denn das künftige System aussehen soll. „Ich weiß es nicht“, antwortete sie. „Es wurde bisher noch nicht erfunden.“
Schrumpfen statt Wachsen – Ulrike Hermann (taz, 2022)
Eine Transformierung des Wirtschaftssystems hin zum Einhalten der planetaren Grenzen ist also ein weiterer Faktor in Zukunft, den man mit betrachten muss.
Letztendlich muss man sich die Größe der Challenge bewusst machen:
In Zukunft müssen wir es schaffen, nicht mehr CO2 mehr auszustoßen als der Planet natürlich binden kann um die Erderhitzung nicht noch weiter zu entfachen.
Klimaneutralität bedeutet, ein Gleichgewicht zwischen Kohlenstoffemissionen und der Aufnahme von Kohlenstoff aus der Atmosphäre in Kohlenstoffsenken herzustellen. Um Netto-Null-Emissionen zu erreichen, müssen alle Treibhausgasemissionen weltweit durch Kohlenstoffbindung ausgeglichen werden.
https://www.europarl.europa.eu/news/de/headlines/society/20190926STO62270/was-versteht-man-unter-klimaneutralitat
In der Praxis bedeutet dies, dass die CO2-Bilanz in den nächsten Jahren auf null reduziert werden muss – das verbleibende CO2-Budget für das 1,5 Grad Limit hat die Menschheit bereits in 3 Jahren verbraucht bzw. in die Atmosphäre entlassen.
Reality-Check IV: Bürgerkriege will niemand, Kipppunkte kann man aber nicht rückgängig machen
Von Zusammenbruch eines industralisierten Landes profitiert kaum jemand in einer global vernetzen Wirtschaft. Und die wenigsten von uns – außer Extremist:innen und Demokratie-Feinde – wünschen sich kriegsähnliche Zustände herbei.
Der Kapitalismus war – trotz aller Ungerechtigkeiten – auch in vielen Aspekten eine Erfolgsgeschichte für die breite Bevölkerung in den letzten Jahrzehnten (vgl. Ulrike Herrmann).
Es gab unzählige soziale Fortschritte, bspw. in Bildungs- und Gesundheitssystemen (vgl. Factfulness von Hans Rosling, Im Grunde gut von Rutger Bregman).
Zudem gibt es zahlreiche Beispiele in der Menschheitsgeschichte, dass das Zusammenleben auch solidarisch gestaltet werden kann (vgl. Anfänge David Graeber & David Wengrow“, Deutschlandfunk 2022).
In Umfragen zeigt sich ebenfalls oft der mehrheitliche Wille zum Klimaschutz.
Dennoch fehlen gleichzeitig aktuell die politischen Mehrheiten für einen drastischen Wandel und die effektive Bekämpfung der Erhitzung. Diesen fordern Forscher:innen und Aktivist:innen seit über 30 Jahren ein. Und auch Poltiker:innen verwiesen immer wieder öffentlich auf diese Challenge:
Und trotz alledem kamen 82% der weltweiten Energie weiterhin aus fossilen Brennstoffen wie Kohle, Öl, Erdgas. (Quelle: Jahresbericht Energy Institute).
Nicht zuletzt geht es um viele Gerechtigkeitsfragen:
Es müssen vor allem die Super-Reichen und Reichen ihren CO2-Verbrauch massiv reduzieren. Wer über viel Vermögen verfügt (bzw. geerbt hat), kann sich aber natürlich auch besser einbunkern im Notfall (ZDF Magazin Royale).
Um die ökonomische Ungleichheit zu bekämpfen werden zudem Modelle wie ein Grunderbe für junge Menschen, das Bedingungslose Grundeinkommen o.ä. diskutiert.
Transformieren müssen sich eigentlich alle, die CO₂ ausstoßen:
Allen voran Industrienationen, die im Pro-Kopf-Verbrauch über den planetaren Grenzen liegen (vgl. Earth Overshoot Day(s)).
Auch „kleinere“ Nationen wie Österreich müssen sich hier gemeinsam bewegen, weil auch sie seit Jahren über den (ökologischen) Verhältnissen leben. Hinzu kommen historische Ausstöße an CO₂.
Problematisch hierbei: Staaten stehen oft auch in wirtschaftlicher Konkurrenz zueinander.
Zudem kann die UN als globale Institution nur gebetsmühlenartig warnen, hat aber keine Sanktionsmacht. Generalsekretär Antonio Guterres spricht sich einiger Zeit 1-zu-1 die Forderungen von Klima-Aktivist:innen in Mikrofone:
Ein weiterer Aspekt sind Greenwashing und Kredite:
Player wie Banken geben sich hierzulande klimafreundlich auf Werbetafeln, vergeben weltweit dennoch extrem klimaschädliche Kredite, die die Krisen weiter befeuern.
Laut Luisa Neubauer erleben wir den größten Greenwashing-Skandal der Geschichte (vgl. Luisa Neubauer – „Cut the bullshit“). Nur eins von mehreren Beispielen:
- Wie die DWS den Klimacrash finanziert. Neuer Greenwashing-Betrug bei der Deutschen Bank-Tochter. (Greenpeace, Juni 2023)
Okay, kurz Luft holen:
Wo ist eigentlich das große Problem? An steigende Temperaturen kann man sich ja bspw. durch Siesta-Mittagspause, Klimaanlage & Co anpassen?
Klimaforscher:innen weisen hierbei immer wieder (teils schon verzweifelt) auf den Aspekt hin, dass es sich hier eben nicht um simple Probleme wie Vermüllung handelt, bei denen wir den Wald oder Strand dann eben mal schnell wieder aufräumen gemeinsam. Stichwort „Irreversibilität“:
„Die Irreversibilität der Veränderung ökologischer Systeme in ihrer Regeneration ist einfach noch nicht begriffen worden. Wenn wir diese Kipppunkte erreicht haben, wo das Klima kippt, wo die Bioversität kippt, wo die Ozeane kippen, dann können wir nicht sagen wir schalten diese Technologie wieder aus. Wir haben komplett veränderte Lebensgrundlagen für die Menschheit, für die nächsten Generationen. Und das wird in keiner ökonomischen Kalkulation berücksichtigt. Das ist nicht mal planbar oder prognostizierbar. Und deshalb Ist die Risikohierarchie in der Richtung umzudrehen. Und das World Economic Forum schreitet ja inzwischen voran. Wo ich mich auch wirklich frage, wenn die CEOs und wirtschaftlichen Entscheider dieser Republik und der Welt inzwischen sagen, von den TOP 6 globaler Risiken sind 5 ökologisch und das sechste Massenvernichtungswaffen, dann ist doch einfach die Zeit vorbei wo man darüber reden muss ob Ökologie was kosten darf.“
Maja Göpel, Pressekonferenz der Scientists for Future vom 12.03.2019
Der Global Risks Report 2023 spricht hier ebenfalls eine klare Sprache – grün meint hier nicht „gut“, sondern markiert die Kategorie „Umwelt“:
An den jetzigen Extremwetter-Ereignissen sieht man auch immer wieder, wie stark die öffentliche Infrastruktur in Mitleidenschaft gezogen wird (was ebenso potenziell starke wirtschaftliche Schäden nach sich zieht).
Auch die Lebensmittelsicherheit, Wasserversorgung, Landwirtschaft is gefährdet bzw. muss angepasst werden, etc. etc. etct. Es steht mitunter potenziell auch das friedliche demokratische Zusammenleben auf dem Spiel.
Der neue Chef des Weltklimarates warnt vor übertriebenen Befürchtungen bei einem Verfehlen des 1,5 Grad-Ziels. „Dieses Temperaturziel ist unglaublich symbolträchtig“, sagte Jim Skea in einem Interview mit dem „Spiegel“. „Trotzdem sollten wir nicht verzweifeln, wenn die Welt die 1,5 Grad überschreitet.“ Die Welt werde dann nicht untergehen. „Es wird jedoch eine gefährlichere Welt sein. Die Länder werden mit vielen Problemen kämpfen, es wird soziale Spannungen geben.„
Jim Skea, neuer IPCC-Vorsitzender (29.07.2023, tagesschau)
Fazit: Risiken und Gerechtigkeitsfragen, wohin man blickt, die ebenfalls mit betrachtet werden müssten bei einem langfristigen Investment.
Und doch gibt es gleichzeitig natürlich die Chance, dass die Menschheit als wirtschaftlich-soziale Gesamtheit einen Weg aus den Krisen findet, die sie selbst heraufbeschworen hat.
Reality-Check V: Technologische Durchbrüche und (waghalsiges) Geo-Engineering
Das 1,5-Grad-Ziel ist laut Klimaforscher Stefan Rahmstorf politisch schon nicht mehr zu schaffen (Juli 2023).
Für Technologie-Durchbrüche, die noch schnellstmöglich und quasi magisch die Erderhitzung auf unter 2 Grad begrenzen, gibt es derzeit keine Anzeichen.
Und die verbleibende Zeit, in dieser diese noch erfunden werden müssten, ist extrem knapp. Bei neuen Technologien wären auch „signifikante Forschungs-Durchbrüche und absehbar lange Entwicklungszyklen“ nötig, bis bspw. ein neues Energiesystem in den Markt kommen würde (vgl. Frank Rieger).
Es steht hier auch die Frage im Raum, ob und wann die Menschheit ggf. auch mit risikoreicherem Geo-Engineering wie der Sonnen-Verdunkelung experimentieren wird, wenn sich die Lage immer weiter zuspitzt.
Ein Beispiel für Geo-Engineering: Carbon Capture and Storage (CCS, die Lagerung bzw. das Einpressen von CO2-Abgas unter der Erde) war lange Tabu, wird nun aber in vielen Ländern debattiert (Spiegel Online Kategorie „CO2-Speicherung“).
Forscher Gernot Wagner veröffentlichte 2023 hierzu das Buch „Und wenn wir einfach die Sonne verdunkeln? – Das riskante Spiel, mit Geoengineering die Klimakrise aufhalten zu wollen“ (noch nicht gelesen).
Reality-Check VI: Es braucht massive, öffentliche Investitionen und Handeln von Regierungen – keine neuen ETFs
Derek Bower, Redakteur der Financial Times, schrieb in einer seiner letzten Kolumnen für den FT Energy Source Newsletter folgende markante Sätze:
Capitalism won’t deliver the energy transition fast enough..
The energy transition will be volatile – Energy Source Kolumne der Financial Times
There’s too much to do, and given the urgency and the need to get the solution right, this isn’t a task for your favourite ESG-focused portfolio manager or the tech bros. The sheer scale of the physical infrastructure that must be revamped, demolished or replaced is almost beyond comprehension.
Governments, not BlackRock, will have to lead this new Marshall Plan. And keep doing it. The western nations that did so much of the damage will have to finance the transition in the developing world – it is astonishing that this idea is still debated. Massive deficit spending will be necessary, not a new ETF.
Fazit: Geht man mit der Meinung von Derek Bower (und anderen), so sind auch die Hoffnungen, dass bspw. grünes Wachstum (Green Growth) und Innovationen auf dem freien Markt das Problem lösen, in vielen Fällen wohl unrealistisch.
Reality-Check VII: Klimaneutralitäts-Versprechen werden nicht eingehalten
Nicht nur Regierungen versäumen es, sich ihr selbstgesteckten (und global vereinbarten) Klimaziele zu erreichen (vgl. Climate Action Tracker). Auch große Firmen bleiben bisher hinter ihren großen Versprechungen zurück oder konterkarieren diese sogar:
- „Apple, Mercedes-Benz and Microsoft are among the world’s largest companies whose emissions reductions are woefully inadequate — despite their net zero commitments.“ (DW, Februar 2023)
- Big oil quietly walks back on climate pledges as global heat records tumble (Guardian, Juli 2023)
Hinzu kommen problematische Offset-Zertifikate, die bisher wenig reguliert sind:
Auch die Fossil-Lobby scheint weiterhin wirkmächtig zu sein.
Dem gegenüber stehen aber immer wieder politische Erfolge wie bspw. die Verabschiedung des EU-Renaturierungsgesetzes oder Vorhaben wie der European Green Deal. Auch weltweit ist Bewegung im Ausbau der Erneuerbaren, Gesetzesvorhaben anderer Länder, etc. etc. Und einen riesengroßen Hebel haben an sich 19 Staaten und die EU in der Hand:
„Wenn sie wollten, könnten die in der G20 organisierten großen Industrie- und Schwellenländer die Klimakrise praktisch allein lösen. Schließlich sind sie für etwa 75 Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich. Aber von den 19 Staaten plus EU kommt viel zu wenig, zeigen zwei neue Berichte, die zwei Wochen vor dem G20-Treffen in Rom und der direkt darauf beginnenden UN-Klimakonferenz in Glasgow erschienen sind: […]“
https://taz.de/Szenarien-zur-Klimakrise/!5804148/ (2021)
Fazit
First of all: Es ist ein riesengroßes Privileg, wenn man sich überhaupt mit Investment-Fragen beschäftigen und in Frieden leben kann – während große Teile der Weltbevölkerung wegen der Klima- oder Biodiversitätskrise um ihre Lebensgrundlage, ihr Zuhause und ihre Gesundheit fürchten muss. Oder im schlimmsten Fall deswegen bereits erkrankt oder verstoben sind.
Jetzt langfristig investieren?
Ich persönlich habe hierzu noch keine gute Quelle gefunden, die sich wirklich detailliert mit dieser Frage beschäftigt – und zudem auch Klimaforscher:innen, Risiko der Kipppunkte, etc. wirklich detailliert einbezieht in die Szenarien (Hinweise zu solchen Artikeln sehr gerne in die Kommentare posten!).
To be fair: Ich habe ich auch noch keine persönlichen Zeitressourcen gehabt, mich in Wirtschaftsmagazine und Wirtschaftswissenschaften zu vertiefen zu dieser Fragestellung
Eine etwas (wilde und teils zynische) Diskussion findet sich auf reddit. Ich hatte dort mal die Fragen bzgl. Klimakrise gepostet. Unter anderem geht es in den Antworten um die Frage, ob die Risiken bereits eingepreist sind:
Finanztip hat im Jahr 2021 hierzu ein Video veröffentlicht: „Klimawandel – Konsumverzicht – Gefahr für Aktien?“. Für mich kratzt dieses allerdings leider noch an der Oberfläche:
Der YouTuber Finanzfluss hat ein sehr allgemeines Video zum Investieren während Krisen gemacht: „7 gefährliche Anleger-Fehler im momentanen Marktumfeld!“ (Mai 2023).
Meine persönliche Entscheidung
Persönlich habe ich mich dafür entschieden, einen Teil meines Einkommens in (konventionelle) ETFs zu investieren. Primär mangels anderer Investment-Alternativen, die einfach, günstig, risikoarm und flexibel sind.
Ob sich ETF-Investments in den nächsten 5, 10, 20 Jahren wirklich weiterhin rentieren, kann nur die Zukunft zeigen.
Keine grünen, nachhaltigen ETFs
Es ist natürlich ein sehr bitterer Beigeschmack, dass ich hiermit aktuell auch mit in klimaschädlich-agierende Firmen investiere.
Leider gibt es derzeit keine echten, nachhaltigen ETFs. Ich habe hier meinen Kenntnisstand im Detail verbloggt: Grüne ETFs sind derzeit oft einfach nur Greenwashing.
Die konstruktive Hoffnung
Ich hoffe natürlich von ganzem Herzen, dass die Klimakrise bekämpft, die Wirtschaft erfolgreich klimaneutral transformiert wird und die staatlichen Institutionen und Demokratien dem Druck standhalten. Das ist natürlich eine riesige, globale, soziale, politische Challenge – und klingt im Jahr 2023 noch ein bisschen wie ein naiver Traum.
Anderseits ist zumindest eine Lösung relativ einfach im ersten Schritt – kein Öl, Kohle, Gas mehr verbrennen. Am Ende sind es weltweit auch nur Menschen, die Konzern- und Politik-Entscheidungen treffen und sich von heute auf morgen auch anders entscheiden könn(t)en – wenn die Bevölkerung Druck macht. Die spannende Frage ist, ob sie es tatsächlich tun werden (in ihren System- und Organisations-Logiken):
Aktivistin Mya-Rose Craig (@birdgirluk) brachte andererseits zuletzt eindrücklich auf den Punkt, dass es sehr einfach ist in Zynismus zu verfallen:
I think it’s so easy to fall into the mindset of you know humans or a plague on Earth, we’re like leeches sucking the life out the planet, whatever … I I really want to highlight that that’s not true. Actually the majority of people around the world are amazing and lovely and kind and care about their family and their community and the land that they live on. And I think for me like I guess to go to that question of Hope like I think that that is the most important thing to remember: We’re not fighting humanity, we’re not fighting our neighbors.
Mya-Rose Craig (@birdgirluk)
We’re fighting corporations and greed and the choice that’s made every day
to continue selling the life…
Um diesem Zynismus zeitweise auch zu entkommen hilft es auf Firmen und Initiativen zu blicken, die die Wirtschaft ernsthaft ökologisch transformieren wollen:
Es gibt das B Corp Movement, CEOs for future (AT), den Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft (DE), etc.
Vorreiter sind bspw. Firmen wie Vaude, die regelmäßig einen (ernsthaften) Nachhaltigkeitsbericht veröffentlichen.
Als Trostpflaster bleibt dem Abstürzen der Kurse auch die Gewissheit, dass man mit vielen anderen Kleinanleger:innen im selben Boot sitzt. Sollte die Weltwirtschaft generell zusammenbrechen, hat man sowieso andere, deutlich wichtigere Probleme. Ich hoffe, dass das niemand erleben muss in Zukunft.
Ich freue mich über kritische Kommentare und Literatur-Hinweise zum Thema!
Beitragsbild: Foto von Denise Chan auf Unsplash, Unsplash Lizenz
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