Aktivist Tadzio Müller war im taz Talk und hat u.a. darüber gesprochen, warum früher das Wort „Klimaanpassung“ nicht gern gehört wurde von Aktivist:innen – es jetzt aber umso wichtiger ist aus seiner Sicht. Und warum er die Welt langfristig auf 6 Grad Erhitzung zusteuern sieht, die Klimabewegung gescheitert ist und die Gegenseite gewonnen hat. Und dass wir leider durch diesen „River of Shit der Erkenntnis“ durch müssen, wenn wir nicht einfach nur weiter verdrängen wollen. Laut ihm geht es zukünftig darum, den Kollaps (gerecht) zu gestalten und dadurch wieder Selbstwirksamkeit zu erleben – statt deprimiert zu sein. Im nächsten Jahr ist hierzu u.a. ein Kollaps-Camp geplant.
Du sprichst ja von gescheitert, also die Klimabewegung ist gescheitert?
Die Klimabewegung ist damals angetreten – und das kann ich schon als jemand sagen, der das über die Jahre mit aufgebaut hat – der Grundgedanke war, wir kamen aus der globalen Gerechtigkeitsbewegung, globalisierungskritische Bewegung anfang der Nuller-Jahre und sind dann auf die Klimagerechtigkeitsfrage gekommen. Und fingen dann auch an hier in der deutschen und radikalen Ökolinken zu sehen zu verstehen – wow, das ist ein richtig krasses, das ist ein Menschheitsthema, ein epochales Thema. Im Grunde war die Kerneinsicht in das Klimathema, von denen die dann die Klimabewegung aufgebaut haben, das Thema ist eigentlich wichtiger als ganz viele andere linke Themen, die wir kennen. Ich sag jetzt nicht das Wichtigste, aber strukturell anders. Weil während man in der Migrationspolitik, in der Gesundheitspolitik, in der Sozialpolitik und Wohnungspolitik immer wieder verlieren kann und der Kampf kann immer wieder anfangen. Also sozusagen diese alte linke Idee „die letzte Schlacht gewinnen wir“. Wir können immer weitermachen, egal wie viel wir verlieren. Das ist in der Klimafrage halt nicht so. Wenn man da oft genug verliert, dann endet irgendwann die Stabilität des globalen Klimasystems …
Das ist ja eigentlich so ein altes Klimaleugner-Argument zu sagen, „Klimaschutz bringt es eh nicht (aus diversen Gründen), wir sollten uns gleich an die Folgen anpassen“.
Das ist eine Debatte von vor 15 Jahren. Da haben wir auch gesagt, also wir Climate Justice Leute haben gesagt „Rede nicht über Klimaanpassung im globalen Norden! Wenn ihr das tut, dann nehmt ihr den Druck weg von der Frage der Emissionsreduktion und auch der Umverteilung.“ Also wir haben
tatsächlich damals gegen jede Person, die Anpassung gesagt hat, da haben wir gegen gekämpft. Das war irgendwie ein bisschen eine weirde Position im Nachhinein, aber ich hab es damals verstanden. Also wir wollen nicht den Leuten den psychologischen Weg weg von der Mitigation und der Emissionsreduktion nehmen. Aber mittlerweile ist halt so, okay der psychologische Weg ist andersrum. Also jetzt will ich die Leute nicht mehr in dieser Frage der Emissionsreduktion hängen lassen, weil da werden sie nur deprimiert werden. Ich will sie jetzt in diese Debatte um die Klimaanpassung ziehen, weil ich glaube dass da noch […] progressive Geländegewinne zu erzielen sind. Weil „Alle schützen alle“ ist ein grundsätzlich geileres Prinzip als „Wasser nur für Deutsche“. Ich sehe da wieder Möglichkeiten. […]
Wir haben keinen „path to climate change“, weil die Gesellschaft sich entschieden hat, weiterhin Scheiße zu sein. Deswegen gibt es keinen Klimaschutz. Wir sind daran gescheitert, die Gesellschaft zu bewegen – aber die Gesellschaft ist am Klimaschutz gescheitert. Und das bedeutet, dass ich jetzt nicht sage wir geben irgendwie den Kampf für die Genoss:innen im Süden auf. Ich würde sagen dass diese Art von solidarischer Katastrophenhilfe, die ich gerade beschreibe, ist eine wichtige Form von praktischem Antifaschismus. Und wenn wir es hier schaffen können, Deutschland nicht krass, also die EU und Deutschland, nicht total faschistisch kippen zu lassen, dann bedeutet es dass der Zugriff auf die Ressourcen und Reichtümer anderer Länder einen Zacken weniger gewalttätig sein wird als wenn die Faschisten an der Macht sind.
By the way – auch Jan Hegenberg (Der Graslutscher) war zuletzt bei der taz zu Gast: Muss ich die Welt alleine retten? ‒ taz Salon.
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