Das tägliche Verfolgen von Klima-News auf Social Media kann ziemlich zermürbend und niederschmetternd sein – oder wütend machen. Denn täglich grüßt das Murmeltier mit solchen Schlagzeilen:
Die Weltgemeinschaft sei weit davon entfernt, ihre Klimaziele zu erreichen. Zu diesem Schluss kommt ein UN-Bericht, den die Weltwetterorganisation (WMO) in Genf vorstellte.
UN-Bericht zu Klimazielen. Große Versprechen, wenig Aktion. (tagesschau.de, September 2023)
Wie entkommt man dieser Spirale der Verzweiflung? Immer wieder gibt es große Ankündigungen und Versprechungen – während zeitgleich immer mehr Treibhausgas in die Atmosphäre gelangt und die Erderhitzung weiter angeheizt wird.
Eine hoffnungsvolle Botschaft:
Es existiert mit Solar Geo-Engineering ein Plan B, um die weitere Erhitzung des Planeten – im Notfall – anderweitig zu stoppen. Nachfolgende Generationen sind der Erhitzung nicht vollkommen ausgeliefert.
Die schlechte Nachricht:
Dieser Plan B ist jedoch extrem riskant und deutlich komplexer als global mit dem Verbrennen von Kohle, Öl und Erdgas aufzuhören.
Dennoch könnte Solar Geo-Engineering laut einigen Berichten immer mehr in den Fokus rücken. Insbesondere wenn Katastrophen zunehmen und sich für Regierungen der Handlungsdruck erhöht, ihre Bevölkerung vor tödlicher Hitze oder anderen Klimakrise-Folgen zu schützen (siehe unten).
In diesem Artikel habe ich versucht einige Aspekte zu sammeln, weitere Ressourcen sehr gerne in den Kommentaren ergänzen! Offenlegung: Bisher habe ich mich sehr selten mit dem Thema Geo-Engineering beschäftigt.
Inhalt
- Der aktuelle Stand und das Jahr 2024
- Fortschritte bei Energie, Technologie und globaler Gesundheit
- Geo-Engineering als Plan B?
- Solares Geo-Engineering als Rettung?
- Theoretisch umsetzbar, praktisch extrem riskant
- Erfolgsaussichten und Risiken laut Wissenschaft
- Kontroverse um Studie von James Hansen
- Einige Wissenschaftler:innen fordern ein Verbot
- Doch der Handlungsdruck könnte steigen
- Hoffnung auf Geo-Engineering lenkt von nötigem Klimaschutz ab?
- Geo-Engineering allgemein nötig laut IPCC
- Der Mensch betreibt bereits indirekt Geo-Engineering?
- Klimaneutralität wäre die risikoarme Lösung
- Fazit: Ein Trostpflaster, dass Plan B existiert?
Der aktuelle Stand und das Jahr 2024
Die nächsten Jahre wird es stets noch heißer und insgesamt herausfordernder auf dem Planeten Erde für die Menschheit.
Der Versuch, die globale Erhitzung auf 2-Grad zu begrenzen, droht zu scheitern. Das 1,5-Grad-Ziel ist jetzt schon nicht mehr realistisch. Im Jahr 2023 wurden viele Hitze-Rekorde durchbrochen, Extremereignisse sind bereits vorprogrammiert:
«Regional betrachtet kommen wir in Mitteleuropa vergleichsweise glimpflich beim Klimawandel weg», sagt Gößling. Im Mittelmeerraum sei die Lage schon brenzliger mit Hitze und Trockenheit. «Man darf sich die Situation bei uns nicht schön reden», warnt Gößling. Der Chef der Weltwetterorganisation (WMO), Petteri Taalas, verweist auf die trockenen Sommer und die verheerende Überschwemmung im Ahrtal 2021. «Solche Ereignisse werden häufiger, und sie werden auch Deutschland betreffen», sagt er der dpa. «Dazu kommt der Migrationsdruck aus Afrika, wo die Herausforderungen viel größer sind.»
Die schlechte Nachricht: Mehr Extremereignisse sind auf Jahrzehnte hinaus vorprogrammiert – auch wenn die Treibhausgasemissionen rasch reduziert würden. «Der negative Trend wird sich bis in die 2060er Jahre fortsetzen», sagt Taalas. Das liegt an den bereits ausgestoßenen Treibhausgasen, die noch so lange in der Atmosphäre wirken. «Und bei den Berggletschern haben wir den Kampf schon verloren», sagt er. «Wir erwarten, dass sie bis Ende des Jahrhunderts völlig geschmolzen sind.» Der schädliche Treibhausgasausstoß müsse aber jetzt dringend so gedrosselt werden, damit die heutigen Kinder und ihre Nachkommen ab den 2060er Jahren ein besseres Klima erleben.
https://www.zeit.de/news/2023-11/30/jahr-der-klimarekorde-extrem-ist-das-neue-normal
Offen ist vorerst noch, ob zumindest der Sommer 2024 in Mitteleuropa vorerst nicht ganz so heiß und trocken wird wie im Jahr 2023.
Ob der nächste Sommer in Deutschland heiß oder trocken wird, kann jetzt noch niemand voraussagen. Global könnte es aber noch wärmer werden als in diesem Jahr. «Ich schätze die Chancen auf 50:50», sagt Gößling. Das liegt am Wetterphänomen El Niño, das dieses Jahr begann.
https://www.zeit.de/news/2023-11/30/jahr-der-klimarekorde-extrem-ist-das-neue-normal
Global betrachtet wird es jedoch potenziell (lebens-)gefährlicher auf dem Planeten Erde. Insbesondere für ärmere Bevölkerungsgruppen, die sich bspw. nicht einfach mit Klimaanlagen vor tödlicher Hitze schützen können – Stichwort Wet-Bulb-Temperatur.
Fortschritte bei Energie, Technologie und globaler Gesundheit
Laut Investor Bill Gates gibt es – neben dem Scheitern, den Treibhausgas-Ausstoß zu reduzieren – dennoch Fortschritte im Energiesektor, bei klimaneutralen Technologien in der Industrie sowie im Bereich der globalen Gesundheit.
When COVID struck, the world wasn’t ready. The limited money that was available to help came at the expense of other lifesaving efforts—causing a major setback for nutrition, polio, malaria, and immunization. We should learn from this mistake and respond to the risk of a climate disaster equitably while we regain and maintain our progress on these other priorities.
Bill Gates – „Don’t let grim headlines obscure the progress on climate change. The rise in carbon emissions is only half the story.“
Gates investiert u.a. mit Breakthrough Energy in Klima-Startups sowie mit der Bill & Melinda Gates Foundation in die globale Gesundheit. Im BBC Podcast The Climate Question wurde er zuletzt gefragt, wie er positiv bleibt. Die New York Times hostete zuletzt ein ausführliches Interview.
Geo-Engineering als Plan B?
Naturgemäß stellt sich natürlich dennoch die Frage, ob es denn nicht noch einen Plan B gibt – wenn der jetzige Plan A (Treibhausgas-Ausstoß massiv reduzieren, Klimaneutralität erreichen, CO2-Budgets einhalten, etc.) scheitert und das riskante 2-Grad-Limit überschritten wird?
Könnte man nachfolgenden Generationen – den Babys und Kleinkindern, die man heute auf den Straßen sieht – doch noch relativ gute Lebensbedingungen hinterlassen statt einer 3-Grad heißeren Welt?
Technologisch gibt es hierfür mehrere Ansätze unter dem Schlagwort „Geo-Engineering“, die teils aber mit hohen Risiken einhergehen:
Als Geoengineering oder Climate-Engineering werden technische Methoden bezeichnet, die das Klima künstlich beeinflussen. Sie sollen helfen, den Klimawandel zu bremsen oder zu kompensieren. Unter den Begriffen werden verschiedene Ideen zusammengefasst.
Die Krux dabei: Sie greifen teilweise massiv in die Natur ein. Die Auswirkungen und Folgen solcher Eingriffe für unseren Planeten sind aber bisher wenig erforscht. Unklar ist auch, ob einzelne Maßnahmen realisierbar sind.
Je nach Methode schätzt der Weltklimarat das Nutzen-Risiko-Verhältnis unterschiedlich ein.
https://www.ardalpha.de/wissen/umwelt/klima/geoengineering-klimawandel-technik-climateengineering-wettermanipulation-100.html
CO2-Staubsauger leisten leider zu wenig
Eine der technischen Maßnahmen, welche relativ risikoarm wäre, ist bisher leider nur in kleinem Maßstab umsetzbar: Die CO2-Staubsauger bzw. „Direct Air Capture“-Methoden, welche noch extrem viel Energie benötigen und die Erderhitzung leider nicht schnell genug stoppen können.
Solares Geo-Engineering als Rettung?
Theoretisch umsetzbar, praktisch extrem riskant
Eine kontrovers diskutierte Option für eine schnelle, global wirksame Lösung ist das „Solar Radiation Management“ (SRM) bzw. „Solares Geo-Engineering“.
Die Grundidee ist, dass weniger Sonnenlicht die Erdoberfläche erreicht. Dadurch würde der sehr hohe, durch Menschen verursachte Treibhausgasanteil in der Atmosphäre nicht mehr so wirkmächtig sein. Die weitere Erhitzung der Erde durch den Treibhauseffekt wäre – zumindest vorerst – gestoppt.
Es gibt hierbei mehrere denkbare Varianten:
Alle Methoden gehen allerdings mit extrem hohen Risiken einher.
Der YouTube-Kanal Engineering with Rosie hat das Thema Solar Geo-Engineering etwas ausführlicher beleuchtet, auch mit Blick auf Praktikabilität der Umsetzung. Spoiler: Spiegel im Weltall sind bspw. aktuell eher schwierig umzusetzen. Zu Gast war der Physiker und Wissenschaftskommunikator Adam Levy:
Auch das Wirtschaftsmagazin The Economist hat eine kurze Video-Reportage veröffentlicht und verschiedene Methoden diskutiert:
Investor Bill Gates investierte bereits in die Erforschung von SRM: A Bill Gates Venture Aims To Spray Dust Into The Atmosphere To Block The Sun. What Could Go Wrong? (Forbes, 2021).
Erfolgsaussichten und Risiken laut Wissenschaft
Für einen umfangreichen Artikel im The New Yorker sprach der Journalist Bill McKibben mit mehreren Wissenschaftler:innen über die Erfolgsaussichten und Risiken.
If we decide to “solar geoengineer” the Earth—to spray highly reflective particles of a material, such as sulfur, into the stratosphere in order to deflect sunlight and so cool the planet—it will be the second most expansive project that humans have ever undertaken. (The first, obviously, is the ongoing emission of carbon and other heat-trapping gases into the atmosphere.)
[…]
So the question is less whether geoengineering can “work”—as the Harvard Law Review article makes clear, the scientific evidence suggests that it would “likely produce a substantial, rapid cooling effect worldwide” and that it “could also reduce the rate of sea-level rise, sea-ice loss, heatwaves, extreme weather, and climate change-associated anomalies in the water cycle.” The question is more: what else would it do? On a global scale it could, at least temporarily, turn the sky hazy or milky (hence the title of Kolbert’s book); it could alter “the quality of the light plants use for photosynthesis” (no small thing on a planet basically built on chlorophyll—studies have shown that U.S. corn production increased as polluting aerosols went down in the wake of amendments to the Clean Air Act); and it might damage the ozone layer, which is only now repairing itself from our recent assault with fluorocarbons.
The most likely problems, though, would probably be not global but regional. Lowering the temperature, precisely because it would affect global weather patterns, would produce different and hard-to-predict outcomes in different places.
Dimming the Sun to Cool the Planet Is a Desperate Idea, Yet We’re Inching Toward It – Bill McKibben (The New Yorker, November 2022)
Kontroverse um Studie von James Hansen
Einer der meinungsstarken Pioniere der Klimaforschung, James Hansen, erwähnte zuletzt Solar Radiation Management in Interviews und einer neuen Studie:
Hansen said that while cutting emissions should be the highest priority, “thanks to the slowness in developing adequate carbon-free energies and failure to put a price on carbon emissions, it is now unlikely that we can get there — a bright future for young people — from here without temporary help from solar radiation management.”
https://cleantechnica.com/2023/11/03/hansen-vs-mann-is-global-warming-linear-or-exponential/
Eine Position, die allerdings noch längst nicht zum Mainstream in der Klimaforschung gehört und umstritten ist, ebenso wie Hansens neue Studie welche von einer Beschleunigung der Erhitzung ausgeht:
Hansen, an adjunct professor of earth and environmental sciences at Columbia University, has often been a critic of mainstream climate policy. […]
Currently, the main debate among the largest body of climate scientists is whether to even begin funding research into geoengineering in case humanity needs it, or if putting the option on the table is too dangerous to consider. Few hold the position, as argued in the new paper, that geoengineering deployment will definitely be necessary. […]Hanson and his collaborators’ findings on the severity of warming and the necessity for geoengineering fall largely outside the broad conclusions made by international climate scientists from the U.N. Intergovernmental Panel on Climate Change. In part, they result from a reassessment of prehistoric climate data. Those interpretations are disputed by Michael Mann, a well-known climate scientist at Pennsylvania State University, in a commentary published on Nov. 1. […]
Mann calls Hansen’s arguments for the necessity of solar geoengineering, “misguided policy advocacy.”
https://time.com/6330957/james-hansen-climate-warning-geoengineering-study/
As I like to say, the truth is bad enough!
https://michaelmann.net/content/comments-new-article-james-hansen
Einige Wissenschaftler:innen fordern ein Verbot
Unter anderem sprach McKibben auch mit Wissenschaftler:innen wie Frank Biermann, welche an die Staatengemeinschaft appellieren ein Verbot für Solares Geoengineering zu erlassen. Auch das Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) sieht in einem Bericht viele Hürden und Risiken:
Die positiven Auswirkungen von SRM sind bis zu einem gewissen Grad zwar kalkulierbar, die Unsicherheiten sind es hingegen noch nicht. SRM dürfte bloss als eine temporäre, unterstützende Massnahme eingesetzt werden. Eine Lösung gegen den Klimawandel ist sie nämlich nicht. Denn: Auf schädliche Emissionen hat sie keinen Einfluss. Werden diese Ausstösse nicht reduziert, kann das gefährlich werden. […] Ein plötzlicher Stopp eines grossen SRM-Einsatzes – etwa durch einen technischen Fehler – könnte dadurch verheerende Folgen haben. Die Erde wäre mit einem Schlag wieder allen schädlichen Faktoren ausgesetzt, die die SRM zuvor zu vermindern versuchte. So würde etwa die Temperatur innert kürzester Zeit wieder ansteigen, was für die gesamte Umwelt einem Schock gleichkäme.
https://www.watson.ch/international/wissen/933260608-srm-die-gefaehrliche-hoffnungstraegerin-im-kampf-gegen-die-klimakrise
SRM bekämpft also nur die Symptome (Erhitzung), nicht aber die Ursache (Treibhausgas-Anteil in der Atmosphäre). Es wäre also eher eine temporäre Pause statt ein echtes Stoppen der weiteren Erhitzung.
Doch der Handlungsdruck könnte steigen
Und dennoch zeigt der Artikel von McKibben eindrücklich auf, warum Staaten in Zukunft dennoch zu riskanten Geo-Engineering-Maßnahmen greifen könnten wenn es beispielsweise massenhafte Todesfälle auf Grund von Hitzewellen gäbe (Wet Bulb):
In “The Ministry for the Future,” his best-selling 2020 novel, Kim Stanley Robinson opens with an almost unbearable account of a heat wave in India, one where the humidity stays so high that human bodies can’t sweat enough to cool down, and millions die. “All the children were dead. All the old people were dead,” he wrote. “People murmured what should have been screams of grief.” In the aftermath, the Indian government decides that it will geoengineer the atmosphere. There is an angry exchange with the U.N. about India’s “Air Force doing a Pinatubo” and, after a while, Delhi stops experimenting with sulfur and allows a thousand other ideas to gradually blunt the impact of planetary warming.
[…]
But there’s no denying the author’s prescience: this spring saw the most dire pre-monsoon heat wave in Indian history; only a slightly lower humidity prevented a real-life reprise of the mass death in the book. It will take such an event to trigger something as powerful as geoengineering, Robinson said, when we talked this summer. Countries and individuals probably won’t be spurred to preëmptively geoengineer the atmosphere “by the sense of a coming crisis,” he told me, “nor by sea level rise or habitat loss or anything else that is an indirect effect of rising global temperatures. It will be the direct consequence—deaths by way of extreme heat wave—that will do it.” He pointed out that, as we spoke, China was undergoing a heat wave even more anomalous than the one in South Asia, and, as a result, had deployed fleets of planes to seed clouds with silver iodide in hopes of inducing rain—not a huge step from sending those same fleets into the stratosphere with sulfur.
But there’s another plot device that has emerged, this one in real life: the dramatic drop in the price of renewable energy. [..]
Dimming the Sun to Cool the Planet Is a Desperate Idea, Yet We’re Inching Toward It – Bill McKibben (The New Yorker, November 2022)
Hoffnung auf Geo-Engineering lenkt von nötigem Klimaschutz ab?
Der deutsche Klimaforscher Mojib Latif, verwies in der Augsburger Allgemeinen Zeitung ebenfalls auf die (riskanten) Technologien – und die Problematik, dass durch die Hoffnung auf ein technologisches Wundermittel die nötige Transformation weg von Kohle, Öl und Erdgas hin zur Klimaneutralität noch langsamer vonstatten gehen könnte:
Reicht es vielleicht gar nicht mehr aus, den Klimawandel einbremsen zu wollen, indem wir weniger Öl, Kohle und Gas verbrennen und damit die CO2-Emissionen senken. Müssen wir nicht gleichzeitig versuchen, CO2 aus der Atmosphäre zu holen?
Latif: Ohne negative Emissionen wird es am Ende wahrscheinlich leider nicht gehen, weil wir nicht schnell genug im Klimaschutz sind. Die Transformation der Wirtschaft hin zu Klimaneutralität schreitet sehr langsam voran, wir müssen also versuchen, CO2 wieder aus der Atmosphäre heraus zu bekommen. Da gibt es zwei Möglichkeiten. Einmal die Aufforstung von Wald, der CO2 im Holz bindet. Das reicht aber hinten und vorne nicht. Der zweite Weg sind Technologien. Die stecken aber noch in den Kinderschuhen, kosten gigantisch viel Geld und die Risiken sind häufig nicht erforscht. Man überlegt zum Beispiel, Substanzen in das Meer zu kippen, um das Algenwachstum anzuregen, was dann die CO2-Aufnahme erhöht. Was aber bedeutet das für andere Tiere und Pflanzen im Meer? Man überlegt auch, im Weltall Spiegel zu installieren, die Sonnenlicht von der Erde abwenden. Könnten solche Spiegel aber nicht als Waffe eingesetzt werden? Die Erde als System ist sehr komplex, sodass ich mir nicht anmaßen würde, hier herumzuexperimentieren. Manche Lösung klingt für mich wie der Ruf nach dem Zauberlehrling. Wollen wir uns auf solche unsicheren Pfade begeben? Wollen wir gigantische Finanzmittel aufwenden, um krampfhaft an den fossilen Energien festzuhalten?
https://www.augsburger-allgemeine.de/politik/interview-wir-sollten-weniger-ueber-klimaschutz-sprechen-mehr-ueber-zukunftsfaehigkeit-id68582991.html
Dies ist wohl auch einer der Gründe, warum riskante Geo-Engineering-Ansätze wie Solar Radiation Management (SRM) bisher kaum bei Klimaprotesten zur Sprache kommen: Aktuell hätten es Regierung und Wirtschaftsakteure noch in der Hand, die Treibhausgasausstöße zu reduzieren um unter 2-Grad Erhitzung zu bleiben. Und zwar ohne die gesamte Risiken- und Nebenwirkungen-Liste von SRM-Methoden.
Geo-Engineering allgemein nötig laut IPCC
Fakt ist aber ebenso, dass selbst die IPCC-Berichte risikoärmere Geo-Engineering-Maßnahmen wie die CO2-Entnahme aus der Luft als notwendig betrachten für die letzten Meter hin zur Klimaneutralität – um das 2-Grad-Limit letztendlich nicht zu überschreiten:
Der Weltklimarat schätzt Solar Radiation Management (SRM) in seinen aktuellen Berichten als risikoreicher als CO2-Entnahme (CDR) ein. Die IPCC-Berichte gehen sogar davon aus, dass wir nur noch mit negativen Emissionen, also CO2-Entnahme, die Klimaziele erreichen können. Außerdem gibt es selbst im besten Fall, wenn wir unsere Emissionen stark reduzieren, Bereiche, die wahrscheinlich weiterhin Treibhausgase ausstoßen wie die Müllindustrie oder die Landwirtschaft. Dadurch entstünde ein Rest an Treibhausgasen – etwa 10 bis 15 Prozent der heutigen Emissionen, die sich noch auf das Klima auswirken. Auch diese können wir wahrscheinlich nur mit negativen Emissionen kompensieren.
https://www.ardalpha.de/wissen/umwelt/klima/geoengineering-klimawandel-technik-climateengineering-wettermanipulation-100.html
Der Mensch betreibt bereits indirekt Geo-Engineering?
Festzuhalten bleibt zudem auch, dass die erste hochriskante Geo-Engineering-Maßnahme bereits erfolgt ist:
Der massive Ausstoß von Treibhausgas in die Atmosphäre seit der Industrialisierung (durch das massenhafte Verbrennen von Kohle, Öl und Erdgas).
Klimaneutralität wäre die risikoarme Lösung
Die schnelle Transformation hin zur Klimaneutralität wäre natürlich die deutlich risikoärmere, logisch-rationale Lösung um diese Erhitzung wieder zu stoppen:
Make no mistake: there are no quick fixes to the climate crisis. […] SRM is currently a speculative technology and is no substitute for emissions reductions, as it does not remove carbon from the atmosphere. Nor will SRM improve the environment or tackle the root causes of climate change. Our best bet for a prosperous and equitable future remains putting in the unavoidable hard work to achieve climate stability by reducing greenhouse gas emissions, to create a pollution-free planet and societies that live in harmony with nature.
Inger Andersen (UNEP, 2023)
Doch vom Erreichen von Klimaneutralität sind die Industrieländer noch weit entfernt: UN-Bericht zu Klimazielen. Große Versprechen, wenig Aktion. (tagesschau.de, September 2023). Und dies ist schon schon seit Jahrzehnten der Fall – allen wissenschaftlichen Warnungen seit den 1970er Jahren zum Trotz.
Wirtschaftlich stehen Nationalstaaten zudem potenziell auch in Konkurrenz zueinander, politische Mehrheiten für umfassende Klimaschutz-Maßnahmen fehlen aktuell, wohlhabende Schichten haben immer noch extreme hohe Treibhausgas-Ausstöße, es gibt viele offene Fragen, etc. etc. etc.
Viele komplexe Herausforderungen, die letztendlich auch zu Pro-Argumenten für den Einsatz von solarem Geo-Engineering werden könnten – vor allem wenn der politische Handlungsdruck auf Regierungen noch weiter wächst bei Katastrophen.
Fazit: Ein Trostpflaster, dass Plan B existiert?
In Bezug auf Klimagefühle wie Klimaangst kann es ggf. auch tröstend sein, dass hochriskante Maßnahmen wie Solares Geo-Engineering noch möglich wären und die nachfolgenden Generationen einer weiteren Erhitzung nicht vollkommen schutzlos ausgeliefert sind – inklusive aller damit einhergehenden Risiken natürlich.
Die Zukunft wird zeigen, auf welche Wette sich die Menschheit als wirtschaftlich-soziale Gesamtheit letztendlich einlässt – und wie der Entscheidungsprozess hierbei verläuft.
Eine der zumindest hoffnungsvollen Erkenntnisse aus der Geschichte der Menschheit: Der Mensch ist nicht von Natur aus komplett egoistisch, bei Katastrophen wächst der Zusammenhalt – laut Historiker Rutger Bregman:
Hollywoodfilme und Romane prägen unsere Vorstellung davon, dass Menschen in Krisen sofort anfangen zu plündern und zu morden. Doch auch nach Naturkatastrophen wie dem Hurrikan Katrina blieben die Massenplünderungen, Schießereien und Vergewaltigungen aus. Natürlich gibt es immer Leute, die sich wirklich schlecht benehmen. Aber in den meisten Fällen bringen Katastrophen das Beste im Menschen zum Vorschein.
Rutger Bregman – Interview Der Standard, 2022
Mehr Informationen:
- It’s Time to Engineer the Sky – Scientific American (Scientific American, Oktober 2023)
- Climate engineering: a quick fix or a risky distraction? (Financial Times, September 2023)
- Mit Geoengineering die Klimakrise stoppen: Science-Fiction oder Zukunftsoption? (ARD Alpha, 2022)
- Climate change technology: is shading the earth too risky? (Economist, April 2022)
- Can Geoengineering UNDO Climate Change? Featuring@ClimateAdam (Engineering with Rosie, 2023)
- Cool Us or Kill Us? Did Geoengineering ALREADY Cause a Massive Famine? (PBS Terra / YouTube, Oktober 2023)
- One Atmosphere: An Independent Expert Review on Solar Radiation Modification Research and Deployment (UNEP, 2023)
- „Und wenn wir einfach die Sonne verdunkeln?“ – Gernot Wagner (2023)
- Riskante Kühlung (Max-Planck-Gesellschaft, 2021)
- Klimaphysiker Gasparini: „Geoengineering ist Morphium, keine Heilung“ (Der Standard, 2022)
- Warum Geoengineering ein gefährliches Versprechen von Reichen, Ölkonzernen und ÖVP ist (moment.at, 2023)
- Im popkulturellen Bereich wurde das Worst-Case-Szenario übrigens schon durchgespielt: Snowpiercer behandelt den Fall, dass der Kühlungsversuch der Erde fehlschlägt und unbeabsichtigt zu einer Eiszeit führt.
Beitragsbild: Screenshot Wie man mit Geo-Engineering den Planeten retten will | quer vom BR (YouTube, 2023).
Einige Bilder von Bing AI zum Thema Solares Geo-Engineering, gerne frei weiter benutzen („Use of Creations. Subject to your compliance with this Agreement, the Microsoft Services Agreement, and our Content Policy, you may use Creations outside of the Online Services for any legal personal, non-commercial purpose“, siehe Terms of Use).
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