Nach der Klima-Hoffnung und den Massenprotesten der letzten Jahre folgte nun spätestens dieses Jahr die Klima-Ernüchterung. Die „Just Stop Oil“-Aktivistin Louise Harris hat schon im letzten Winter den Song „We tried“ veröffentlicht. Dieser passt wohl eindrücklich zum kollektiven Trauer- und Verarbeitungsprozess bezüglich des nun eindeutigen gescheiterten 1,5-Grad-Ziels. Und auch das 2-Grad-Ziel wird zukünftig nicht erreichbar sein laut aktuellen Prognosen. Wie geht es jetzt weiter?
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Das Video aus dem Jahr 2023 endete noch mit dem kämpferischen Hinweis auf das kurze Zeitfenster, in welchem die Erderhitzung noch sinnvoll begrenzt werden kann.
Reinhard Steurer, Professor für Klimapolitik an der Wiener BOKU, hat sich immer wieder lautstark engagiert. Er hatte sich zuletzt auch mit der Protestbewegung Letzte Generation solidarisiert, die inzwischen ihre bisherige Protestform eingestellt hat. Im Interview bei FM4 erklärt Steurer, warum er keine politischen Anzeichen sieht, dass dieses kurze Zeitfenster noch ernsthaft genutzt wird von der Weltgemeinschaft – und wie für ihn ein „Klimaschutz 2.0“ aussehen könnte:
Aktivist Tadzio Müller war im taz Talk und hat u.a. darüber gesprochen, warum früher das Wort „Klimaanpassung“ nicht gern gehört wurde von Aktivist:innen – es jetzt aber umso wichtiger ist aus seiner Sicht. Und warum er die Welt langfristig auf 6 Grad Erhitzung zusteuern sieht, die Klimabewegung gescheitert ist und die Gegenseite gewonnen hat. Und dass wir leider durch diesen „River of Shit der Erkenntnis“ durch müssen, wenn wir nicht einfach nur weiter verdrängen wollen. Laut ihm geht es zukünftig darum, den Kollaps (gerecht) zu gestalten und dadurch wieder Selbstwirksamkeit zu erleben – statt deprimiert zu sein. Im August 2025 ist hierzu u.a. ein Kollaps-Camp geplant.
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Kommt der Klimakollaps? – taz Talk mit Tadzio Müller (YouTube)(mehr …)
„Die deutsche Politik kennzeichnet eine unglaubliche Visionslosigkeit. Was wir nirgends sehen, dass wir politische Kräfte haben, die uns ein Bild malen, wie unsere Gesellschaft aussehen sollte. Die Demokratie ist ein Versprechen auf die Zukunft. Das haben anscheinend ganz viele Menschen vergessen“ Philipp Lepenies, Politikwissenschaftler
„Klimaschutz in der Demokratie ist möglich, ich bin davon tief überzeugt. Aber er ist schwierig, weil er gegen die grundlegende Logik der Demokratie geht: Man schaut die nächste Wahl. […] Alles, was kostet, was Veränderung bringt, was das Leben auf den Kopf stellt ist tendenziell unpopulär. Man dachte, wenn man nicht für Klimaschutz ist, verliert man Wähler, verliert man Kunden – aber mittlerweile hat man erkannt, vielleicht ist das nicht so …“ Jonas Schaible, Journalist
„Normalität ist eine Droge“ Jonas Schaible, Journalist
Was ist da gerade los in der Klimabewegung bzw. im Ökosystem der Klimabewegungen? Aktivist und Campaigner Manuel Grebenjak hat als Herausgeber über 70 Beitragende versammelt, um über die aktuelle Krise der Klimabewegung zu sprechen – und strategische Auswege zu finden. Das Ergebnis ist nun Buchform erschienen: „Kipppunkte. Strategien im Ökosystem der Klimabewegung“ (Unrast Verlag). Hier ein Livestream-Talk:
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Joko Winterscheidt hat mit seiner Produktionsfirma eine bildgewaltige Doku-Serie über die Klimakrise produziert – finanziert von Amazon Prime. Schon hier beginnen die Widersprüche der modernen Welt, die auch in den sechs Teilen der Serie thematisiert werden.
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Ich habe die letzten Tage damit verbracht, eine neue Version der Mini-Webseite „Aktuelle Erderhitzung“ zu gestalten. Schon eine spannende Herausforderung, die ganze Thematik realistisch zu beschreiben – ohne falsch-naive Hoffnung zu verbreiten, aber ebenso Raum für Erfolgsmeldungen und Fortschritt zu lassen. 🌱
Mark Benecke führt seine „Time is up“-Reihe fort, das Update für den Herbst 2023:
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Videobeschreibung: „Kriminal-Biologe Dr. Mark Benecke stellt die neuen Messungen zu Umwelt & Klima für Herbst 2023 mitten im heißesten Sommer seit Menschen-Gedenken vor 🍃 Diesmal live aus der Linnean Society of London, in der Charles Darwin & Alfred Russel Wallace die Evolutions-Überlegungen und -Messungen erstmals vorstellten 🔬 Nebst einer Anmerkung zu von Ernst Haeckel geprägten Begriff des ‚Anthropozäns‘ und neuesten Untersuchungen zu Umwelt, Klima, Eis-Schmelze und Hitze-Warn-Stufen“
Anstrengend zu hören, aber super lohnenswert. Themen: Aktueller Stand des Kampfes gegen die Erderhitzung, bisheriges Scheitern der Aktivismusformen, Rolle der Gewerkschaften, der immer stärker drohende Klimakollaps, Nachrichtenmüdigkeit, Rechtsruck – und wie es nun weiter gehen kann, ohne sich selbst etwas vorzumachen.
Die traurige Nachricht der letzten Wochen (und Monate):
Das global vereinbarte Ziel, die Erderhitzung auf 1,5 Grad zu begrenzen, wird nicht erreicht werden. Der Planet wird sich zukünftig mehr als 1,5 Grad erhitzen.
Der langjährige Klimaforscher Stefan Rahmstorf hatte dies kürzlich in einem Interview bestätigt:
„Er betonte, rein physikalisch sei es noch möglich, unter dem Wert von 1,5 Grad zu bleiben. Nur habe bei den allermeisten Regierungen der Klimaschutz keine Priorität.
Rahmstorf führte aus, man müsste das Thema anpacken, „wie wenn man in einer Kriegssituation ist und das einfach die Top-Priorität hat.“ Es fehle nicht an Lösungen, es gebe auch bereits die nötigen Technologien, doch es fehle der politische Wille – auch bei Bundeskanzler Scholz.“
Gleichzeitig muss nun weiterhin um jedes Zehntelgrad weniger Erhitzung gekämpft werden – ein Kraftakt angesichts dieser Niederlage.
Denn es gilt weiterhin: je höher sich der Planet erhitzt, desto schwieriger (und lebensgefährlicher) wird das Leben auf dem Planeten. Darauf weisen auch die Autor:innen der Hamburger Studie hin:
„Für jedes halbe Grad zusätzlicher Globalerwärmung bekommen wir eine deutlich wahrnehmbarere Risikozunahme durch Hitzewellen, Überschwemmungen und Dürren. Und das bedeutet: Egal, welches Maß an globaler Erwärmung bereits geschehen ist – man mindert immer das weitere Risiko, indem man weitere Erwärmung verhindert.“
Jochem Marotzke, Direktor am Max-Planck-Institut für Meteorologie – Quelle: Deutschlandfunk (2023)
Angesicht dieser Neuigkeiten sind Greenwashing und Argumente wie „Es wird doch schon viel und ausreichend Klimaschutz gemacht“ nicht mehr objektiv haltbar. Was man nicht vergessen sollte: Ohne die Pariser Klimaziele, ohne hartnäckige Klimawissenschaft, ohne Aktivist:innen weltweit würden wir vermutlich jetzt bereits in einer +3 Grad heißen Welt leben und auf noch höhere Szenarien zusteuern. Der Zubau der erneuerbaren Energien hätte weltweit ohne dieses Engagement ebenso nicht Fahrt aufgenommen, die Transformation der Wirtschaft wäre kein dringendes Thema, etc. Es sind trotz des Verfehlens Transformationsprozesse in Gang gesetzt worden, die weiterhin laufen.
Nicht zuletzt könnte das Abhaken des 1,5-Grad-Ziels ggf. neue Kräfte für Transformationsprozesse freisetzen, ein neues „sich ehrlich machen“, etc.
Mental muss man sich als Inviduum und als Gesellschaft dennoch gleichzeitig auf herausfordernde Zeiten einstellen.
Fröhlich arbeiten, während die Klimakrise weiter eskaliert?
Dieser Blog beschäftigt sich mit den Widersprüchen der aktuellen Arbeitswelt im Kontext der Klima- und Biodiversitätskrise, primär aus Sicht von „normalen“ Angestellten.
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