Nach der Klima-Hoffnung und den Massenprotesten der letzten Jahre folgte nun spätestens dieses Jahr die Klima-Ernüchterung. Die „Just Stop Oil“-Aktivistin Louise Harris hat schon im letzten Winter den Song „We tried“ veröffentlicht. Dieser passt wohl eindrücklich zum kollektiven Trauer- und Verarbeitungsprozess bezüglich des nun eindeutigen gescheiterten 1,5-Grad-Ziels. Und auch das 2-Grad-Ziel wird zukünftig nicht erreichbar sein laut aktuellen Prognosen. Wie geht es jetzt weiter?
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Das Video aus dem Jahr 2023 endete noch mit dem kämpferischen Hinweis auf das kurze Zeitfenster, in welchem die Erderhitzung noch sinnvoll begrenzt werden kann.
Reinhard Steurer, Professor für Klimapolitik an der Wiener BOKU, hat sich immer wieder lautstark engagiert. Er hatte sich zuletzt auch mit der Protestbewegung Letzte Generation solidarisiert, die inzwischen ihre bisherige Protestform eingestellt hat. Im Interview bei FM4 erklärt Steurer, warum er keine politischen Anzeichen sieht, dass dieses kurze Zeitfenster noch ernsthaft genutzt wird von der Weltgemeinschaft – und wie für ihn ein „Klimaschutz 2.0“ aussehen könnte:
Barbara Prainsackist Professorin am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien und hat im Jahr 2023 das Buch „Wofür wir arbeiten“ veröffentlicht.
Wie wollen und werden wir zukünftig arbeiten? Die tradierten Modelle funktionieren nicht mehr: Während die einen von ihrer Erwerbsarbeit kaum leben können, leiden viele Bereiche unter Arbeits- und Fachkräftemangel. Arbeit ist zudem eine Frage der Solidarität: Der Applaus für „systemrelevante Berufe“ war von kurzer Dauer, die Care-Arbeit – vor allem von Frauen – hält das System am Laufen, wird aber weder angemessen entlohnt noch gesellschaftlich gewürdigt. Für die „Generation Z“ zählt Work-Life-Balance mehr als die 40-Stunden-Woche. Dem entgegengesetzt steht die Forderung mancher Arbeitgeber nach längeren Arbeitszeiten. Verschärft wird die Situation zudem durch den demografischen Wandel, Digitalisierung und Automatisierung. Fundiert und scharfsichtig legt Barbara Prainsack die Fehler unseres Verständnisses von Arbeit offen und zeigt den Weg zu einer gerechten und sinnstiftenden Arbeit für alle auf.
Im Kepler Salon der Uni Linz hat sie nun hierzu Rede und Antwort gestanden:
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Sehr optimistisch ist sie aktuell jedoch nicht hinsichtlich der gesellschaftlichen Lage:
Wir wissen allerdings noch nicht welche [österreichische] Regierung kommt. Ich bin prinzipiell für die nähere Zukunft nicht sehr optimistisch, weil ich glaub der Diskurs sehr verschoben ist. Weil viele Leute Dinge befürworten, die ihren eigenen Interessen entgegenlaufen. Foucault hat es ja berühmterweise so ausgedrückt, dass Menschen irgendwann mal selbst zum Instrument der Regierung werden indem sie dieselben Werte auf sich anwenden. Und wenn ich Leute höre – also Leute, die wirklich geringe Einkommen haben – die dann sagen „Ich bräuchte schon mehr, ich kann jetzt nicht mehr nach dem Chor mitgehen zum Trinken, ich kann es mir nicht mehr leisten beim Wirten – aber wenn unsere Einkommen steigen, dann steigt die Inflation …“. Also das beschreibt glaube ich das Bild sehr gut […].
Weitere Diskussionen und Interviews mit Barbara Prainsack:
„Arbeit bei VW hieß lange: Wer dort anfängt, bleibt meist ein Leben lang.“ – eine Job-Garantie im kapitalistischen Wirtschaftssystem, die nun zur Debatte steht. Die NDR-Reportage zeigt neben den Ursachen den beginnenden Kampf der betroffenen Menschen um ihre Arbeitsplätze:
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Sind die fetten (deutschen) Jahre nun wirklich vorbei, so wie es schon jahrzehntelange diskutiert und teils prophezeit wurde? Die Sendung Wirtschaftskrise: Jobkiller Klimaschutz? – Studio M – MONITOR mit Klimaaktivistin Luisa Neubauer und Stephan Alexander Vogelskamp von automotiveland.nrw, einem Netzwerk der Automobilindustrie, hat versucht dies zu beleuchten:
Klimaschutz oder Arbeitsplätze? 2024 war – wieder mal – das heißeste Jahr weltweit seit Aufzeichnung von Wetterdaten. Ob Stürme, Überschwemmungen oder große Dürren, die extremen Wetterphänomene häuften sich auch in diesem Jahr. Das 1,5 Grad-Ziel wird 2024 zum ersten Mal gerissen. Doch statt über die globalen Folgen der Klimakrise zu sprechen, diskutiert Deutschland über den drohenden Verlust von Arbeitsplätzen in der Automobil- oder Stahlindustrie. Die Angst geht um vor dem Ende des Industriestandorts und damit des deutschen Wohlstandsmodells. Viele machen einen angeblich überzogenen Klimaschutz dafür verantwortlich. Dabei stellt sich die Frage: Welche Rolle spielt die Klimapolitik bei der Angst vor eine weitflächigen Deindustrialisierung? Welchen Anteil haben Politik und Unternehmen, wenn es um Werkschließungen bei VW oder Thyssen geht? Hat die Wirtschaft zu lange die Augen verschlossen vor notwendigen Transformationen? Und warum spielt das Thema Klimaschutz bei vielen Wählern eine immer geringere Rolle?
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Andreas Sator hat in seinem Blog eine Erwiderung zu der „Bullshit Jobs“-These vom Anthropologen David Graeber (†) veröffentlicht. Graeber veröffentlichte 2018 ein Buch:
In Bullshit Jobs konstatiert Graeber, dass die von John Maynard Keynes prophezeite 15-Stunden-Woche in einigen Ländern mittlerweile eigentlich umsetzbar wäre.[4] Allerdings sei es nicht zu einer signifikanten Arbeitszeitverkürzung, sondern zu einer Ausbreitung von Bullshit Jobs, von Fake Work, gekommen. Diese würden keinen gesellschaftlichen Nutzen erbringen und würden auch von den Menschen, die sie ausüben als nutzlos empfunden:
Ein Bullshit Job ist eine Form der bezahlten Beschäftigung, die so vollständig sinnlos, unnötig oder schädlich ist, dass sogar die Beschäftigten selbst die Existenz der Beschäftigung nicht rechtfertigen können, auch wenn die Beschäftigten sich durch ihre Arbeitsbedingungen gezwungen fühlen, dies nicht zuzugeben.[5]
Diese „Bullshit Jobs“ können laut Graeber jedoch durchaus gut bezahlt sein, es geht also auch um Office und Management Jobs statt echte „Scheißjobs“:
Ein häufiger Irrtum laut Graeber selbst sei, dass ein Bullshit-Job ein schlechter Job sein müsste. Dabei habe er festgestellt, dass nicht harte, schmutzige oder gefährliche Arbeit als besonders sinnlos gesehen würde, sondern eher Bürotätigkeiten und Arbeiten im mittleren Management. Im Interview mit dem Standard sagte er einst: „Wenn Sie glauben, dass die Welt ohne Ihre Tätigkeit gleich oder sogar etwas besser wäre – das ist ein Bullshit-Job“. – moment.at
Für Sator war diese These nie vollkommen überzeugend:
[L]et me try to convince you that office work is underrated. The output of many white-collar jobs is not a physical product, but rather improved communication with coworkers, clients, and organizational leaders.
Mit dem Thema verknüpft ist vermutlich auch die Sehnsucht vieler Menschen, lieber etwas klar „Sinnstiftendes“ zu tun oder etwas Handfestes zu produzieren – statt Zahlen in Excel-Spreadsheets einzutragen oder den ganzen Tag in Meetings zu sitzen:
Aktivist Tadzio Müller war im taz Talk und hat u.a. darüber gesprochen, warum früher das Wort „Klimaanpassung“ nicht gern gehört wurde von Aktivist:innen – es jetzt aber umso wichtiger ist aus seiner Sicht. Und warum er die Welt langfristig auf 6 Grad Erhitzung zusteuern sieht, die Klimabewegung gescheitert ist und die Gegenseite gewonnen hat. Und dass wir leider durch diesen „River of Shit der Erkenntnis“ durch müssen, wenn wir nicht einfach nur weiter verdrängen wollen. Laut ihm geht es zukünftig darum, den Kollaps (gerecht) zu gestalten und dadurch wieder Selbstwirksamkeit zu erleben – statt deprimiert zu sein. Im August 2025 ist hierzu u.a. ein Kollaps-Camp geplant.
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Kommt der Klimakollaps? – taz Talk mit Tadzio Müller (YouTube)(mehr …)
Von diesem Dokumentarfilm aus dem Jahr 2020 habe ich nur zufällig über einen Freund erfahren. Vermutlich war der Großteil der Menschheit damals noch mit der Corona-Pandemie beschäftigt – inklusive mir. Der Dokumentarfilm von Carmen Losmann deckt eindrücklich auf, wie veraltet unser alltägliches Verständnis von Geld ist. Durch Gold gedeckt – welches in Banken wie bei Dagobert Duck lagert – ist die kapitalistische Geldproduktion bspw. schon seit den 70er Jahren nicht mehr. Es gibt auch längst keine feste Geldsumme mehr, die einfach nur zirkuliert.
Die einfachsten Fragen sind oft die schwierigsten. Wie entsteht eigentlich Geld? Wie entstehen Gewinne? Und warum wachsen die Schulden, wenn die Wirtschaft wächst? Carmen Losmann hat hochrangige Banker, Manager und sonstige Finanzentscheider mit solchen „Sendung mit der Maus“-Fragen behelligt. Beinahe naiv wirkt das und ist vielen der Männer erkennbar lästig. Umso bemerkenswerter, wie manche von ihnen ins Schwimmen kommen, wie sie nicht erklären können, was angeblich selbsterklärend ist. „Zu komplex“, lautet noch eine der freundlichsten Ausreden. https://www.sueddeutsche.de/kultur/kino-doku-oeconomica-1.5068338
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„Die deutsche Politik kennzeichnet eine unglaubliche Visionslosigkeit. Was wir nirgends sehen, dass wir politische Kräfte haben, die uns ein Bild malen, wie unsere Gesellschaft aussehen sollte. Die Demokratie ist ein Versprechen auf die Zukunft. Das haben anscheinend ganz viele Menschen vergessen“ Philipp Lepenies, Politikwissenschaftler
„Klimaschutz in der Demokratie ist möglich, ich bin davon tief überzeugt. Aber er ist schwierig, weil er gegen die grundlegende Logik der Demokratie geht: Man schaut die nächste Wahl. […] Alles, was kostet, was Veränderung bringt, was das Leben auf den Kopf stellt ist tendenziell unpopulär. Man dachte, wenn man nicht für Klimaschutz ist, verliert man Wähler, verliert man Kunden – aber mittlerweile hat man erkannt, vielleicht ist das nicht so …“ Jonas Schaible, Journalist
„Normalität ist eine Droge“ Jonas Schaible, Journalist
„Sein Leben lang Vollzeit und ohne Unterbrechungen zu arbeiten, sei nach wie vor das Maß aller Dinge. Diese Norm müsse dringend umgekehrt werden, argumentiert Jurczyk. „Es wäre wichtig, die Lebensläufe zu entzerren.“ Zumal die Lebenserwartung steigt und die Menschen künftig wohl auch immer länger arbeiten müssten. „Wir müssen Arbeit so gestalten, dass die Menschen nicht fix und fertig sind“, meint die Soziologin deshalb.“
„Gemeinsam mit dem Rechts- und Politikwissenschafter Ulrich Mückenberger hat Jurczyk ein Konzept entwickelt, mit dem alles anders werden soll. Es trägt den etwas sperrigen Namen „Optionszeitenmodell“ und sieht Folgendes vor: Jeder Mensch hat im Lauf seines Erwerbslebens ein Budget von neun Jahren bezahlter Auszeit, und zwar versehen mit einem Rechtsanspruch.“
Barbara Blaha, Leiterin des Momentum Instituts*, mit einem großartigem Vortrag auf der republica-Konferenz 2024:
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Soziale Veränderungen brauchen einen langen Atem, aber sie sind möglich laut Barbara Blaha – wenn wir uns aktiv dafür einsetzen:
Damit aus unseren Träumen Taten werden, müssen wir fünf Dinge verinnerlichen.
Erstens. Veränderung kommt nicht durch Wahlen. Nie. Politik kann Veränderung im Parlament schlussendlich dann absegnen. Aber auf der Straße wird sie angestoßen. Politik kann nur aufgreifen, was schon da ist und kann dann Normen, Werte und Regeln dazu schaffen. Es braucht also uns. Es braucht den Druck von „unten“, damit wir Veränderungen gegen die Apparate der Hegemonie überhaupt durchsetzen können.
Zweitens. Veränderung ist Training und braucht Training. Es ist wie ein Muskel wir müssen ihn trainieren. Jeden Tag, „use it or lose it“. Es hat keinen Sinn, sich erst in der absoluten Notsituation dazuzuschalten. Wer dann erst kommt, ist zu schwach um Veränderung überhaupt durchsetzen zu können.
Und Veränderung erkämpfen ist selbst mit viel Training verdammt unangenehm und unbequem. Wer Fortschritt will, ist zu allererst mal lästig. Das liegt in der Natur der Sache. Wer den Status Quo herausfordert, der rüttelt an den Verhältnissen – sonst stabilisiert er sie. Es ist der Sand in der Auster, der die Perle macht. Antonio Gramsci, ein italienischer Philosoph, hat nicht nur Theorien über Hegemonien geschrieben, sondern er war auch selbst aktiv. Er hat Zeitungen gegründet, gegen den Faschismus angeschrieben und am Ende dafür mit seinem Leben bezahlt und er sagt über sich, er ist „ein Partisan gegen die Gleichgültigkeit“. Er sagt „Leben ist Partei ergreifen“. Und wer Partei ergreift, macht sich angreifbar. Aber wenn wir keinen Gegenwind spüren, dann gehen wir ganz sicher in die falsche Richtung.
Viertens. Veränderung ist immer arbeiten am System, nicht arbeiten am Symptom. Bewusster Konsum, so richtig und wichtig das auch ist, wird unsere Welt nicht retten. Die Sklaverei wurde nicht von ein paar Konsumentinnen und Konsumenten abgeschafft, die beschlossen haben keine Sklaven mehr zu kaufen. Sondern von Bürgern und Bürgerinnen, die gemeinsam beschlossen haben die Sklaverei abzuschaffen. Und wir wissen, wie das damals gelungen ist – durch kollektives Handeln. Das ist unser allerstärkster Muskel und wir alle miteinander haben ihn schon ein bisschen länger nicht trainiert, sind mer uns ehrlich. Gerade wir, die wir doch wissen was die Klimakrise mit uns machen wird. Die so gut informiert sind. Wir wählen das richtige, wir kaufen das richtige, aber sonst … Nichts ist weniger unschuldig als den Dingen ihren Lauf zu lassen.
Und fünftens, Veränderung geht langsam und es ist nie fertig. Frauen verdienen weniger als Männer, heute noch. 6, 8, 10 Prozent – je nachdem wie man es rechnet. Gleichzeitig aber sage ich euch, es ist viel weniger als es früher war. Ist das gut? Ja! Ist es gut genug? Nein, natürlich nicht! Aber wir brauchen die Fähigkeit, Zwischenerfolge und Zwischenetappen zu sehen und zu feiern um uns die Kraft zu erhalten weiterzukämpfen. Wir werden ein Leben lang schieben müssen. Es ist immer zu früh nach Hause zu gehen.
Das heißt also die gute Nachricht ist, wir können eine andere Welt schaffen. Die schlechte Nachricht für euch: Alles muss man selber machen. So wie die, die vor uns da waren, es ja auch gemacht haben. [..]
* Das Momentum Institut ist eine gewerkschaftsnahe österreichische „Denkfabrik der Vielen. Das Momentum-Team erarbeitet und verbreitet seit 2019 konkrete, konstruktive Vorschläge für eine nachhaltige und gerechtere Gesellschaft.“.
Fröhlich arbeiten, während die Klimakrise weiter eskaliert?
Dieser Blog beschäftigt sich mit den Widersprüchen der aktuellen Arbeitswelt im Kontext der Klima- und Biodiversitätskrise, primär aus Sicht von „normalen“ Angestellten.
Hinweis zu mentaler Gesundheit
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