Die traurige Nachricht der letzten Wochen (und Monate):
Das global vereinbarte Ziel, die Erderhitzung auf 1,5 Grad zu begrenzen, wird nicht erreicht werden. Der Planet wird sich zukünftig mehr als 1,5 Grad erhitzen.
Der langjährige Klimaforscher Stefan Rahmstorf hatte dies kürzlich in einem Interview bestätigt:
„Er betonte, rein physikalisch sei es noch möglich, unter dem Wert von 1,5 Grad zu bleiben. Nur habe bei den allermeisten Regierungen der Klimaschutz keine Priorität.
Rahmstorf führte aus, man müsste das Thema anpacken, „wie wenn man in einer Kriegssituation ist und das einfach die Top-Priorität hat.“ Es fehle nicht an Lösungen, es gebe auch bereits die nötigen Technologien, doch es fehle der politische Wille – auch bei Bundeskanzler Scholz.“
„Es mangelt am Willen“ – Klimaforscher Rahmstorf hält 1,5-Grad-Ziel politisch kaum noch für erreichbar (31. Juli 2023)
Diskutiert wurde diese drohende Niederlage schon länger. Im Februar kam die „Hamburg Climate Futures Outlook“ Studie ebenfalls zum Ergebnis: „1,5-Grad-Ziel nicht plausibel: Gesellschaftlicher Wandel wichtiger als physikalische Kipppunkte“.
Die Menschheit als wirtschaftlich-soziale Gesamtheit (Mark Benecke) hat also versagt. Und dies obwohl alle Staaten der Welt die Pariser Klimaziele unterschrieben und in Gesetze überführt (ratifiziert) haben.
Gleichzeitig muss nun weiterhin um jedes Zehntelgrad weniger Erhitzung gekämpft werden – ein Kraftakt angesichts dieser Niederlage.
Denn es gilt weiterhin: je höher sich der Planet erhitzt, desto schwieriger (und lebensgefährlicher) wird das Leben auf dem Planeten. Darauf weisen auch die Autor:innen der Hamburger Studie hin:
„Für jedes halbe Grad zusätzlicher Globalerwärmung bekommen wir eine deutlich wahrnehmbarere Risikozunahme durch Hitzewellen, Überschwemmungen und Dürren. Und das bedeutet: Egal, welches Maß an globaler Erwärmung bereits geschehen ist – man mindert immer das weitere Risiko, indem man weitere Erwärmung verhindert.“
Jochem Marotzke, Direktor am Max-Planck-Institut für Meteorologie – Quelle: Deutschlandfunk (2023)
Hier eine (noch etwas ältere) Grafik:
Der neue IPCC Jim Skea hat sich hierzu ebenfall zu Wort gemeldet in seiner neuen Funktion, hatte ich hier schon verbloggt: Menschheit verfehlt 1,5-Grad Ziel, neuer IPPC-Chef warnt jedoch vor Panik?
Die konstruktive Hoffnung:
Angesicht dieser Neuigkeiten sind Greenwashing und Argumente wie „Es wird doch schon viel und ausreichend Klimaschutz gemacht“ nicht mehr objektiv haltbar. Was man nicht vergessen sollte: Ohne die Pariser Klimaziele, ohne hartnäckige Klimawissenschaft, ohne Aktivist:innen weltweit würden wir vermutlich jetzt bereits in einer +3 Grad heißen Welt leben und auf noch höhere Szenarien zusteuern. Der Zubau der erneuerbaren Energien hätte weltweit ohne dieses Engagement ebenso nicht Fahrt aufgenommen, die Transformation der Wirtschaft wäre kein dringendes Thema, etc. Es sind trotz des Verfehlens Transformationsprozesse in Gang gesetzt worden, die weiterhin laufen.
Nicht zuletzt könnte das Abhaken des 1,5-Grad-Ziels ggf. neue Kräfte für Transformationsprozesse freisetzen, ein neues „sich ehrlich machen“, etc.
Mental muss man sich als Inviduum und als Gesellschaft dennoch gleichzeitig auf herausfordernde Zeiten einstellen.
Beitragsbild: Stefanie Loos / re:publica, Re-publica 23 – Tag 2 (52955844006), CC BY-SA 2.0
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